Kann ich auch im AHV-Alter als pflegende Angehörige angestellt werden?
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Wo leben Menschen mit Demenz am besten?
Zwei Drittel der Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, leben zu Hause. Die meisten möchten auch so lange wie möglich daheim bleiben. Ist das sinnvoll?
Kürzlich zeigte ein Dokumentarfilm auf SRF schonungslos, wie schnell ein Mensch abbaut, der an Alzheimer erkrankt ist: Stefan T. Müller ist 56 Jahre alt und steht noch mitten im Berufsleben, als er die Hiobsbotschaft erhält. Im Beschrieb zur Sendung «Reporter» heisst es: «Sein Leben und das seiner Ehefrau stehen ab sofort Kopf. Finanziell und emotional beginnt für die beiden die schlimmste Zeit ihres Lebens.»
Der Film zeige, wie die Krankheit fortschreitet, Stefan T. Müllers Zustand verschlechtert sich.
SRF Reporter 21.02.24 Alzheimer mit 56 - Das Familienleben nach der Diagnose. (Bild: Screenshot/SRF)
«Viele denken wohl: Da wäre ich lieber tot.»
Christina Krebs, Ex-Geschäftsleiterin Alzheimer Zürich
Einige werden sich wohl denken: «Da wäre ich lieber tot.» Das sagte auch Christina Krebs, die abtretende Geschäftsleiterin von Alzheimer Zürich an der Auftaktveranstaltung zum 30-Jahr-Jubiläum ihrer Organisation. Die Reportage klammert ihrer Meinung nach zwei wichtige Dinge aus:
- Beratungsstellen für Menschen mit Demenz und ihre Familien: Hier können sich Betroffene von Fachpersonen beraten und begleiten lassen. Als Betroffene einer schweren und unheilbaren Krankheit gelten immer sowohl die kranke Person als auch ihre Angehörigen.
- Wenn der Patient zu Hause lebt, muss auch frühzeitig besprochen werden, wie die betreuenden Angehörigen jetzt und in Zukunft entlastet werden können.
Sich an Alternativen gewöhnen
Menschen mit Demenz sollen in einer frühen Phase an andere Menschen, die sie betreuen könnten, gewöhnt werden. Erkranken ihre Angehörigen nämlich plötzlich und fallen von heute auf morgen aus, löst der notwendig werdende Eintritt in ein Pflegeheim einen Schock, «abgrundtiefes Grauen und Verunsicherung» aus, sagte Christina Krebs.
Es gebe sehr gute Institutionen für Menschen mit Demenz, sagte Krebs. «Altersheime, in denen noch gelebt wird.» Damit übergab sie das Wort an Vincenzo Paolino, Geschäftsführer der Spectren AG, die die Almcasa-Alters- und Pflegezentren betreibt. Almacasa versteht sich als «quartiernahe und alltagsorientierte Betreuung und Pflege». In diesen Wohngruppen leben die Menschen dauernd oder auch nur vorübergehend, während eines Ferienaufenthalts, und die Gruppen sind auch für Menschen mit Demenz geeignet.
Annette Ciurea sprach an der Jubiläumsveranstaltung von Alzheimer Zürich über ihre Grossmutter: «Als sie vor fast 30 Jahren erkrankte, waren wir noch nicht so weit wie heute. Eine Diagnosestellung und palliative Begleitung kann Betroffene und ihre Angehörigen entlasten und auch Halt geben.
… oder freitags Apéro-Time
Paolino, der auch im Vorstand des internationalen Global Ageing Networks sitzt, verriet die «sieben Domänen des Wohlbefindens», die den von ihm geschaffenen Almacasa-Langzeit-Institutionen zu Grunde liegen, und die auch für Menschen mit Demenz gelten:
- Identität: Man kennt mich, weiss wer ich war und wer ich bin.
- grösstmögliche Autonomie: Zimmer einrichten, ausschlafen, Besuch empfangen, faulenzen …
- Sicherheit: möglichst frei von Angst sein, behütet und umsorgt sein
- sinnvolles Tun: nicht unterfordert, nicht überfordert sein, Teil sein der Alltagsgestaltung
- Genuss: «Freitag ist Apero-Time.»
- Wachstum: Jeder Mensch kann wachsen, bis zum letzten Tag, zur letzten Stunde.
- Zusammengehörigkeit: Kleine Gruppen ermöglichen die Bildung von Freundschaften.
Mit der eindrücklichen Geschichte ihrer Grossmutter zeigte die Geriaterin Annette Ciurea von Age Medical, wie gewinnbringend es wäre Palliative Care – eine ganzheitliche, umsorgende Begleitung , die den Menschen ins Zentrum stellt – in die Betreuung von Menschen mit Demenz einzubeziehen. Die Grossmutter erlitt mehrere leichte Hirnschläge. Danach kam es zu Fehlleistungen: Den Salat steckte sie in den Tiefkühler und das Glacé in den Küchenschrank. In der Familie habe man sich gewundert, es gab immer mehr Spannungen aufgrund der nachlassenden Hirnleistung, aber es wurde nie eine Abklärung durchgeführt und die Diagnose einer Demenz wurde nie gestellt. Dadurch gab es auch keine Informationen über die Erkrankung und auch keine vorausschauende Planung.
Zeitalter der palliativen Geriatrie
Die Zahlen, die die Geriaterin und Palliativmedizinerin präsentierte, sind eindrücklich: Heute sind in der Schweiz fast eine halbe Million Menschen über 80 Jahre alt. In weniger als 20 Jahren wird es in unserem Land über eine Million 80-Jährige und Ältere geben. Demzufolge wird auch die Zahl der Menschen, die an einer Demenz oder an mehreren Krankheiten gleichzeitig erkranken, steigen. «Wir leben im Zeitalter der palliativen Geriatrie.»
Es ist laut Annette Ciurea äusserst sinnvoll, Palliative Care in alle Phasen einer Demenzerkrankung einzubeziehen.
- Bei einer leichten Demenz ist die vorausschauende Planung wichtig: Patientenverfügung, Vorsorgeauftrag sollten aufgesetzt werden, da dies zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich sein wird. Auch Beratungen für Betroffene und Angehörige, wie sie beispielsweise die Alzheimer Schweiz in jedem Kanton anbietet ist empfehlenswert.
- Bei einer mittelschweren Demenz geht es weiter darum, Stress zu reduzieren: Bei den Betroffenen Symptome zu lindern, aber auch darum, die Angehörigen zu entlasten, die an ihre Grenzen kommen können. Oft steht hier der Wechsel in eine betreute Wohnform an.
- Bei einer schweren Demenz steht die palliative Begleitung sowohl des Betroffenen, als auch der Angehörigen im Vordergrund.
Schliesslich sei Demenz eine zum Tod führende Krankheit, sagte die Geriaterin. Das werde aber nicht immer anerkannt, auch nicht von allen Fachpersonen.